Indienreise 1960
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Im Club ist Betrieb. Ich springe in die warmen Fluten. Das Wasser ist so warm, dass man nicht wie in Deutschland etwa einen Herz­schlag befürchten müsste. Es ist herrlich klar und rein. Es sind extra Eingeborene angestellt, welche die Sauberkeit des Wassers dauernd zu überwachen haben. Jeder Grashalm wird mit langen Stan­gen, an denen Siebe befestigt sind, sofort aufgefischt. Mit Staub­saugern wird von Zeit zu Zeit der Boden des Bassins gesäubert. Ein Sprungturm mit 1 m und 3 m - Brett ist da. Nach dem ersten Bad mache ich einen Rundgang. Jetzt sehe ich die Gegend im Tageslicht. Zwischen den Hügeln hindurch erkennt man ein Stück von der Plantsite. Die Konverter rauchen. Die Hügelkette ist bewachsen, aber nicht mit Bäumen, sondern mit Gestrüpp. Man könnte sicher gut hinaufsteigen. Ein Sportplatz (Aschenplatz) blieb gestern von mir unbemerkt. Er ist vor einer Woche fertiggeworden. Die indi­schen Hausgeister sind schon dabei, das heute Abend fortzusetzende Oktoberfest vorzubereiten. Sie schleppen Eis zum Kühlen des Bieres.

Ich schlendere zu den Tischen und entdecke Herrn W. Er hat auch Familie hier, sein Sohn ist im Wasser, seine Frau da­heim im Bungalow geblieben. Viele trinken Bier: 1 Flasche Rs 3,50 = DM 3,10. Viele Monteure betrinken sich sogar damit. Es wird hier überhaupt viel mit dem Geld herumgeschmissen. Herr W. geht bald nach Hause, da er fürs Oktoberfest noch was vorbereiten muss. Ich lese noch eine zurückgelassene Essener Tageszeitung vom 15.10. Das Wasser lockt wieder. Um 17.15 Uhr rüstet sich die Sonne zum Untertauchen. Ich kleide mich an und als ich 20 Min. vor 6 Uhr den Club verlasse, ist es rabenduster.

Die Erde, die Steine und die Straße strahlen Wärme ab, die Luft ist lau - ein herrlicher Tropenabend. Ich habe wieder Lust, zu Fuß zu gehen und mache mich auf den Weg. Das Wandern ist jetzt äußerst angenehm. So warme Abende bieten uns zu Hause nur sehr heiße Sommer. Auf der Ring - Road überholen mich Gruppen Eingeborener, die sich in ihrem Kauderwelsch unterhalten.

Nun werden auch die Sterne sichtbar, ich suche und finde den Polarstern und sehe das „W“ der Cassiopeia. Den Großen Bären kann ich nicht entdecken. Er muss unter dem Horizont stehen, was ja bei uns in Deutschland nie vorkommt. Der Polarstern steht sehr tief, ganz ungewohnt. Am Südhimmel taucht ein Sterngebilde auf, das ich noch nie gesehen habe. Es sind drei helle Fixsterne in einer Linie.

Nach einer reichlichen Stunde bin ich zu Hause und müde. Ich schaue schnell noch mal nach den Sternen. Es ist aber mondhell, so dass man nicht viel erkennen kann. Im Gras draußen im Garten zirpen Grillen. Aus ferneren Gebüschen dringen unbekannte Laute. Von weit her hört man näselnden indischen Gesang. Es ist unheimlich. Die Wärme des frühen Abends ist nur unwesentlich zurückgegangen. Um die Straßenlampen schwirren die Mücken und anderes Getier. Zu leiden hat man aber unter Mücken nicht.

 
Montag, 7. November 1960

Tagsüber Arbeit auf der Baustelle.

Heute Abend habe ich mit meinem Nachbarn, Herrn E., einen Spaziergang zum Vegetable—Market und dem New Market vor. Der Bearer Moan hat das Abendessen schon früh fertig. Wir pendeln nun gemütlich im lauwarmen Tropenabend die Dorfstraße entlang. Wir kommen am Kino vorbei. Wir kreuzen die Ring - Road und sind am Vegetable - Market. Da hocken die braunen Gestalten inmitten ihrer auf der Erde ausgebreiteten Schätze und verkaufen Gemüse. Es ist dunkel und jeder hat Beleuchtung an seinem Stand, die ei­nen Kerzen, die anderen Benzinlampen. Auch Kneipen gibt es hier; vorn offene Holzbuden, in denen dicht gedrängt an rohen, provisorischen Tischen und auf Bretterbänken Eingeborene sitzen und allerhand komisches Zeug verzehren.

Da es ja längst dunkel ist, entgeht einem vieles. Wir gehen noch zum New Market weiter. Das ist ein „gehobener“ Markt - der, vier­eckig, aus 4 Gebäuden besteht mit lauben­artigen Gängen. Hier wird alles feilgeboten und auch mehrere Schneider und ein Uhr­macher sind da.

Der heutige Spaziergang soll nur der Information über die Örtlichkeiten dienen. Genauer werde ich mir das am nächsten Samstag an­sehen. Gestank überall. Heute bemerke ich, dass man hier auch be­stimmte Blätter feilbietet, welche, mit einem weißen Zeug be­strichen, gekaut werden.

 
Dienstag, 8. November 1960

Während die Monteure (1 indischer Monteur und 1 Helfer) die Netzgeräte umschalten, zeigt mir Herr H. den Walzwerksbetrieb von den Tieföfen angefangen. Imposant, viel Dreck. Kein Mensch räumt den Abfall weg. Heute Morgen geriet ein Kehrichthaufen in Brand durch herumfliegenden Zunder ein Querschieber von der Brammenstraße zum Grobblechgerüst.

 
Donnerstag, 10. November 1960

Heute kam Papa Heuss um 17.00 Uhr auf dem Flugplatz an. Morgen spricht er im Deutschen Club.

 
Freitag, 11. November 1960

Heute Nachmittag mache ich frei; die zwei Stunden lohnen nicht (Theo kommt). Abends Theo Heuss mit Zigarre. Anschließend ab 20 Uhr “Närrisch am Bramahni“.

 
Samstag, 12. November 1960

Die Monteure haben Betriebsversammlung. Ich gehe zum Zahnarzt. Gleich nach dem Mittagessen: Schwimmen. Dass herrliches Wetter ist, braucht man hier nicht zu erwähnen. Keine Wolke am Himmel. Tag für Tag. Ich bade und aale mich. Ich genieße den Sommer, den wir in Deutschland in diesem Jahre so entbehren mussten. Um 17 Uhr spaziere ich langsam nach Hause. Morgen will ich mit einem geliehenen Jeep einen Ausflug machen.

 
Sonntag, 13. November 1960

6.30 Uhr kommt Herr Gr. Der Karren ist ziemlich down. Beim Gasgeben stottert er und bei 40 schlackern die Vorderräder. Wir fahren zur Plantsite. Dort steigt Gr. aus. Ich werde ihn um 12 Uhr wieder abholen. Ich fahre nach Alt - Rourkela, mitten durchs Dorf Richtung Osten. Ich hatte mir - mangels geographischer Karten die Gegend ein bisschen aufzeichnen lassen.

Ich fahre zunächst zum Zusammenfluss des Koel und des Sankh. An diesem Punkt beginnt der Bramahmi. Die Flussbetten sind sehr breit, ca. 6 - 700 m. Die Flüsse selbst sind jetzt nur ca. 200 m breit und offenbar seicht. Es ist eine Canon-Landschaft. Die Ufer sind steil und etwa 10 m hoch, vom jetzt herrschenden Wasserspie­gel an gerechnet. Zur Monsunzeit müssen sich hier gewaltige Wassermassen entlang wälzen. Einige Mädchen gehen Wasser holen. Sie tragen es in Tonkrügen auf dem Kopf. In den Dörfern ist unbe­schreiblicher Dreck. Ich fahre zurück und überquere den Bramahni in Richtung Westen auf einer neu erbauten Straßenbrücke parallel zur Eisenbahnbrücke. Beim nächsten Abzweig will ich nördlich über Bourmunda nach Birmitrapur. Doch die Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Unter einer Straße versteht man hier einen befestigten Weg, etwa 6 m breit, rechts und links je ein Straßengraben.


 
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