Indienreise 1960
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Sonntag, 4. Dezember 1960
Um 8 Uhr geht es los mit Ki.s zum geplanten Ausflug. Wir fahren südlich etwa in Richtung der im Bau befindlichen Erzbahn und stoßen nach etwa 40 km wieder auf den Bramahni. Die Fähre setzt uns über nach Bonaigar. Wir besehen dort das Dorf und entdecken einen hohen Baum, auf welchem fliegende Hunde hängen. Es sind ca. 1000 Stück. Wir gelangen zu einem verlassenen Maharadscha-Palast und treffen dort Familie Ham. und Herrn Sch. Wir fahren gemeinsam weiter. Die anderen hatten mit dem Lehrer der dortigen Höheren Schule schon eine Besichtigung des ehemali­gen Landsitzes des Maharadscha vereinbart. Wir schließen uns an. Der Landsitz ist, wie der eigentliche Palast - ziemlich verwahr­lost. Er beherbergt jetzt eine Polizeischule. Die Gärten sind noch zu erkennen mit 0rangensträuchern usw. Das Gebäude ist an sich gediegen gebaut - mit Terazzo und Steinholz. Der Lehrer erzählt uns von Tigern und schwarzen Bären, die Kinder anfallen. Er erläutert uns auch den Weg zum Khandadhar - Wasserfall; wir hätten noch vor dem Bramahni links abbiegen müssen. Wir beschlie­ßen alle, noch dahin zu fahren, zumal es nicht mehr weit sein soll.

Der Lehrer wird zurück gebracht und gebracht und wir setzen mit der Fähre wieder zurück zum anderen Ufer. An der bezeichneten Stelle biegen wir in Richtung Wasserfall ab. Nachdem wir einige Dörfer passiert haben, wird der Weg immer schlechter. Die Bekannten sind mit einem Plymouth, wir mit einem robusten Geländewagen unterwegs. Der Plymouth schafft gerade den ersten Wasserlauf mit Mühe. Dann geht´s nicht mehr, so uneben und rissig ist der Weg. Alles steigt in „unseren“ um und weiter geht´s. Wir kommen immer dichter in den Dschungel hinein und müssen insgesamt achtmal durch Wasserläufe fahren. Die Vegetation ist üppiger als auf dem flachen Land. Allenthalben fremde Pflanzen, Papageien und sonstiges Getier. Schließlich ist der Wasserfall erreicht. Das Wasser stürzt ca. 300 m herab. Das Gebirge bildet dort eine steile Kante zum Bramahni-Tal. Es ist ein imposanter Anblick. Wir müssen den gleichen Weg wieder zurück. Es ist schon 16.15 Uhr und wir brauchen über eine Stunde. Wir schaffen es bis 17.30 und sind gerade bei Einbruch der Dun­kelheit wieder auf besseren Wegen. Wir erreichen den abgestellten Plymouth und sitzen wieder bequemer. Die Straße nach Rourkela ist fast durchweg geteert. Gegen 20 Uhr sind wir zu Hause.

 

 
5. Dezember 1960

Abends bin ich mit Herrn Wie. bei Ki.s eingeladen: 0riginal - indisches Abendessen. Herrlich scharf. Reis, Gulasch mit Curry, Mangofrucht, Tomatensalat, Hülsenfrüchtebrei und Zwie­beln. Anschließend Fruchtsalat. Im Laufe des Abends zum Bier: Salzgebäck aus Reismehl, mit Gemüsesäften bunt gefärbt und gewürzte Cashew - Nuts. Es war wirklich ein Fest.

 
8. Dezember 1960

Heute Abend bei Ki.s. 180 Dias von der vorjährigen Südindien - Reise. Prima. Ri.s, Ham.s und Herr Sch. sind auch da.

 
9. Dezember 1960

Abends bin ich bei Familie Ri. Frau Ri. ist aus Breslau und die Familie hat lange in Breslau gewohnt. Es gibt viel zu erzählen.

 
12. Dezember 1960

Tag der Abreise aus Rourkela. Vormittags bis 10.30 im Office. 12.15 Uhr fahre ich mit dem Wagen von Herrn We. zum Klub ba­den. Der Klub ist heute erstmalig wieder geöffnet. 3 Stunden habe ich noch einmal herrlich gebadet, heute zum lezten Mal. Wassertemperatur 23°C. Um 17.20 Uhr bringt mich ein Baubüro-Wagen zum Bahnhof. Iris Ki. hat für mich vom Mali einen Blumenkranz fertigen lassen, der mir zum Abschied umgehängt wird.

 

Der Zug hat Verspätung. Gegen 19.00 Uhr kommt er endlich. Ein englischer Monteur ist bei mir im Abteil. Morgens 7 Uhr läuft der Zug in Calcutta, Howrah-Station ein.

 
15. Dezember 1960

Zuerst fahre ich zum Grandhotel mit N.s und Herrn E. Frühstück. 9.15 Uhr taucht Herr M. auf. Er holt außer mir noch einen Spezialisten für Elektronenmikroskope ab. Nach geschäftlichem Kram im Siemensbüro fahren wir zum Kali - Tempel, wo ein unheimliches Menschengewühl herrscht. Heute ist Opfertag. Vor dem Tempeleingang werden Ziegen geopfert. Ich beobachte: Ein Mann schleppt eine junge Ziege herbei und steckt deren Kopf in ein gegabeltes Holz, welches für diese Zwecke in der Erde ver­ankert ist. Der Opferpriester schwingt ein gebogenes großes Hackmesser und schlägt der Ziege mit einem Schlag den Kopf ab. Der Körper wird seitwärts auf einen Steinestrich geworfen und blutet aus. Die Gläubigen strömen herbei und tauchen ihre Hände in das Blut. Sie beschmieren ihre Gesichter und die ihrer entfernter stehenden Angehörigen mit dem Blut. Während der ganzen Zeremonie werden Trommeln geschlagen und hysterischer Gesang ertönt. Ich kann noch in den Tempel hineinschauen und sehe viele Menschen darin. Der Tempel ist nicht groß, innen etwa 7 m x 7 m. In der Mitte befindet sich ein Standbild der Göttin Kali auf einem stei­nernen Sockel. Die Göttin ist bis zur Unkenntlichkeit mit Blumen geschmückt. Das Volk sitzt am Boden und wiegt den Oberkörper rhythmisch zu Gesang und Trommelklang. Auf den Rat eines neben­stehenden Hindus lege ich einige kleine Münzen in eine am Tempeleingang liegende Opferschale.

 

Wir fahren jetzt zum Burning - Ghat, der an einem Arm des Ganges liegt. Hier werden Leichen verbrannt. Auf dem eigentlichen Verbrennungsplatz sind Vertiefungen eingemauert. Der Tote wird auf einer einfachen hölzernen Bahre über diese Vertiefung gestellt. Dann wird von den Verwandten und Bekannten Mangoholz aufgeschich­tet, so dass von dem Toten kaum noch etwas zu sehen ist. Mit allerhand Tamtam werden Reisigruten in Brand gesetzt und vier Leute umkreisen mit den brennenden Ruten mit schauerlichem gesangsähnlichem Gebrüll den Scheiterhaufen. Dann verstummen sie und setzen den Scheiterhaufen in Brand. Alles stiert dann in die Flammen. Die Asche sammelt sich in der Vertiefung, wird in Säcke gefüllt und von Booten aus in den Ganges gestreut. Von dem Verbrennungsplatz führen Stufen hinunter zum Ganges(arm). Dort stehen auch die besagten Boote.

 

An einem anderen Platz sehen wir Hindus, welche ihre rituellen Bäder im Ganges nehmen. In voller Kleidung stehen sie im Fluss, waschen sich und tauchen ab und zu unter. Frauen entblößen ihren Oberkörper nur unter Wasser und waschen so ihre Saris. Das Wasser ist trübe. Man reinigt sich auch den Mund in diesem Wasser. Um 15 Uhr geht es zum Flugplatz. Es sind etwa 20 km. Das Siemens - Büro liegt im Zentrum und der Flugplatz im Vorort Dum - Dum (Munitionsfabrik). Das gibt einen Anhaltspunkt für den riesigen Durchmesser der Stadt Kalkutta.

 

14.05 Uhr geht das Flugzeug nach Benares. 16.30 Uhr sind wir dort. Der Flugplatz liegt weit außerhalb der Stadt. Wir fahren mit einem Omnibus der Indian Air Lines direkt zu Clark´s Hotel. Ich traf im Flugzeug noch einen Deutschen aus Rourkela. Wir wollen gemeinsame Sache in Benares machen. Wir gehen noch ein Stück zusammen im Abendfrieden unter dem Sternenzelt in der Vorstadt spazieren; anschließend Dinner. Wir gehen gleich schlafen, denn morgen müssen wir um 6 Uhr raus. Wir sind schließlich nicht zur Erholung hier.

 
14. Dezember 1960

Benares‚ heilige Stadt am Ganges. Um 7 Uhr geht es los mit hoteleigenem Auto, Fahrer und Führer. Herr Da. und ich fahren zusammen. Es geht zunächst zum Gangesufer. Auf etwa 5 km zieht sich die Stadt am Ganges entlang. Das ganze Westufer ist befestigt. Stufen führen in den Fluss hinein. Wir mieten ein Boot mit Ruderer und lassen uns am Ufer entlang rudern. Der Eindruck ist unauslöschlich. Eine Unmenge Menschen bevölkert das Flussufer, badet und wäscht sich und die Kleider. Viele sah ich von dem Wasser trinken. Alle beten Richtung Sonne. Eine Frau singt und hält ein Gefäß so in das Sonnenlicht, dass die Sonne bis auf den Boden scheinen kann. Wir kommen auch an Burning-Ghats vorbei. Der Führer erklärt uns, dass viele ihre Leichen zum Ganges nach Benares bringen lassen, damit sie hier verbrannt werden.

Wir steigen am Liebstempel (auf meinen Wunsch) aus und besichtigen ihn. Wir dürfen ihn nicht betreten. Wir besehen ihn von außen. Näheres lieber mündlich.

Nach weiterer Bootsfahrt kehren wir zum Wagen zurück.

Nach dem Frühstück fahren wir zur Stadthalle. Das ist eine Art Nationalheiligtum (Schuhe ausziehen). In der Halle ist ein Relief des indischen Subkontinents ausgestellt etwa 10 x 10 m. Es ist nichts besonderes. Weiter geht es zum prunkvollen Maharadscha - Palast. Man könnte meinen, die Räume eines der zahlreichen deutschen Schlösser zu besichtigen, wenn nicht lauter Tigerfelle herumlägen. Über 300 Stück hat der Kerl geschossen. Zu bewundern sind die handwerklichen Arbeiten.

Nun fahren wir zur Hindu - Universität. Zunächst wird der Shiva - Tempel im Univer­sitätsgelände besichtigt. Er wurde erst vor 25 Jahren gebaut und ist fast ganz aus Marmor. Die Uni ist imposant, weit auseinandergezogen, die einzelnen Fachgebiete in getrennten Häusern untergebracht. Hier wird alles gelehrt und gelernt. Auch deutsche Professoren sollen hier unterrichten. Nachdem wir alle Institute von außen besichtigt haben, möchte ich die Fakultät für Ingenieurwissenschaften von innen sehen.

 
 
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