7.00 Uhr Abfahrt zur Arbeit. Besprechung mit Herrn H. Er wird dafür sorgen, dass in allen Sprechstellen die Netzgeräte abgeschaltet werden. Montag werden wir dann den Schaltschrank für die Stromversorgung inspizieren, und dann werde ich die Sprechstellen einzeln in Betrieb nehmen.
Heute habe ich noch damit zu tun, die laut Plan verlegten Leitungen (am Schreibtisch) auf richtige funktionsfähige Verdrahtung der Anlage zu prüfen.
Damit ist der Vormittag herum - ich bin aber mit dieser Arbeit nicht fertig geworden. Ich werde ein Stück vom Sonntag dazu verwenden müssen, da Mitte nächster Woche ein Walzengerät wieder in Betrieb gehen wird, das z.Zt. still liegt.
17.00 Uhr Five o’clock-Tea. Überraschend schnell wird es dunkel draußen. Dämmerung kennt man hier kaum, da die Ebene des geographischen Horizontes fast senkrecht auf der Ebene der Sonnenbahn steht. Auch reicht hier der Tag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Die Nacht dauert von 18.00 bis 6.00 Uhr. Lange und kurzeTage gibt es hier zu keiner Jahreszeit.
Nach dem Tee beschließe ich, aufs Oktoberfest zu gehen und mal zu gucken. Es fängt zwar erst um 20.00 Uhr an, aber der Club ist ja ohnehin offen. Im Übrigen will ich ja auch die Clubeinrichtungen mal kennen lernen. Ich schnappe mir also auf der Straße einen Rikscha-Kuli mit “Fahrrad“ und brause zum Club. Es sind ungefähr 5 km, alles große Entfernungen hier. Eine ganze Rupie kostet das (ich hatte mir den Tarif vorsichtshalber vorher von einem Kollegen sagen lassen).
Der Club ist eine schöne Einrichtung. Ein flaches Gebäude fasst Wirtschaftsräume, Toiletten etc., dahinter Tische, Stühle, teils überdacht, teils frei, ein Swimming - Pool, Tennisplätze usw. Ich halte mich nicht lange auf, der Entschluss steht fest: Morgen geht Vater baden. Außentemperatur 27°C, tiefer soll sie kaum heruntergehen.
Das Oktoberfest ist ganz nett aufgezogen. Lufthansa und Swiss Air haben Buden gestiftet (Ballwerfen, Schießen usw.); eine Eigenkonstruktion “Haut den Lukas“ wurde von den Montagebüros gemacht. Das war wirklich originell. Wenn das Gleitstück, das an der Schiene nach oben saust, an der Spitze ankommt, gibt es nicht, wie auf den Jahrmarkt, einen Knall, sondern über eine elektrische Steuereinrichtung einen langgezogenen Hupenton. So was kann natürlich nur auf dem Mist von Elektrikern wachsen. Es gibt auch Bratwürste, Hähnchen vom Grill, Schaschlik und so. Ich fahre um 21.00 Uhr wieder per Rikscha heim.
Sonntag, 6. November 1960
13.00 Uhr Mittagessen. Nachher umziehen: blendend weißes, kurzärmeliges, in Calcutta gekauftes Hemd. Ich packe die Badehose ein und gehe Richtung Schwimmbad, Deutscher Club. Ich leiste mir den Spaß und laufe. Es ist ein traumhaftes Wetter. Keine Wolke am Himmel, die Sonne brennt unbarmherzig. Ich fühle mich aber wohl. Nach einiger Zeit schwitze ich zwar, aber es ist erträglich. Ich gehe die Hauptstraße entlang bis zur Ring - Road. Wenige Menschen sind zu sehen. Ring - Road nach links insgesamt ca. 5 km entfernt liegt das Clubhaus. Unterwegs bemerke ich auf einem Hügel das Wasserwerk, welches die gesamte Siedlung mit Wasser versorgt. Ich steige den Hügel hinan und sehe mir die Anlage an. Auf der Ring - Road treffe ich viele Eingeborene, die, geschäftig eine Last tragend, einem Ziel zustreben. Viele sind europäisch gekleidet, d.h. mit Hemd und Hose. Oft sehen diese Kleidungsstücke aus wie vom Lumpensammler; meist ist auch keine Farbe mehr erkennbar. Wenn man sich die Menschen genauer betrachtet, bemerkt man, dass die Rassenmerkmale, besonders die Hautfarbe, nicht einheitlich sind. Es gibt ganz Schwarze darunter, aber auch mehr bräunliche. Die Haare sind immer glatt, die Augen braun oder braun - schwarz. Die Frauen sind zierlich und auch bei den Männern herrscht der kleine Wuchs vor. Manche Frauen tragen einen Zopf. Europäisch gekleidete Eingeborenenfrauen sehe ich jedoch nirgends.